Wer schon mal eine Boxy Bag genäht hat, der weiß, wie unfassbar flexibel und wandelbar diese Tasche ist. Du kannst die Größe exakt nach deinen Wünsche anpassen.
Am vergangenen Wochenende hatte ich zwei Ideen: 1. ich habe da noch ein angefangenes Charm Pack, mit dem ich dringend etwas machen muß, und 2. ich möchte mal eine kleine Reisetasche nähen. Da war die Boxy Bag genau die richtige Verbindung. In diesem Artikel zeige ich dir, wie ich bei der Planung vorgegangen bin, damit du deine eigene Reisetasche entwickeln kannst.
Der Plan
Als erstes habe ich mir überlegt, wie groß die Reisetasche ungefähr werden soll. Ich habe verschiedene Taschen in meinem Schrank ausgemessen und mich für einen Mittelwert entschieden: 40 x 20 x 25 cm (L x B x H)
Die Maße habe ich in unseren Schnittteil-Rechner eingegeben, der Teil der Boxy Bag Anleitung auf unserem Blog ist. Als Nahtzugabe habe ich 1 cm gewählt, als Höhe für das Innensteckfach 17 cm.
Daraus ergibt sich als Größe für die Schnittteile jeweils 67 x 47 cm (von der Größe brauche ich je zwei Stück für innen und zwei für aussen). Zusammengenäht heißt das, die Aussenseite ist 67 x 92 cm groß (2x 47 cm – 2x Nahtzugabe).
Wie gesagt wollte ich die Reste eines Charm Packs verarbeiten – davon waren noch 30 Quadrate übrig. Nach kurzer Berechnung hat sich gezeigt, dass ich damit zwar nicht die komplette Aussenseite würde nähen können, aber doch genug.
Jeweils 14 Quadrate rechts und links und in der Mitte ein Streifen von der gleichen Breite (9,5 x 32 Inch) ergibt schon mal eine Gesamtgröße von 70 x 81 cm. Bei der Breite habe ich es belassen, oben und unten habe ich jeweils quer einen Streifen von 4,5 cm + Nahtzugabe angenäht. Diese Streifen verlaufen später rechts und links parallel zum Reißverschluß und sehen auch noch gut aus. Die Gesamtgröße meines Außenteils ist damit etwa 70 x 90 cm und damit nah genug an meiner ursprünglichen Berechnung. Die Innenteile habe ich entsprechend angepasst.
Noch ein kleines Detail:
wir wissen ja, dass bei der Boxy Bag mehr oder weniger große Teile herausgeschnitten werden, um so den Boden zu formen. Laut Schnittteil-Rechner sollten diese Bodenausschnitte hier 11,5 cm groß sein. Da die Ausschnitte aus den zusammengefalteten Lagen geschnitten werden, sind sie also eigentlich doppelt so groß: 11,5 x 23 cm.
Um einzuschätzen, wo diese Stücke später herausgeschnitten werden, habe ich die Mitte des Außenteils markiert (gestrichelte Linie) und von dort jeweils die halbe Tiefe meiner Tasche nach oben und unten ausgemessen (jeweils 10 cm). Dort wird später – ungefähr – der Ausschnitt beginnen. Warum das Ganze? Wie ich mir vorher bereits gedacht habe, wird in jedem Bodenausschnitt ein komplettes Quadrat des Charm Packs verschwinden, also habe ich dort Quadrate eingesetzt, die ich nicht so schön fand ;-)
PS: Mit einem vollständigen Charm Pack hätte ich die komplette Außenseite nähen können – 6 x 7 Reihen = 42 Quadrate. Nur die beiden Akzentstreifen oben und unten hätte ich noch ansetzen müssen.
Für diese Anleitung nähe ich eine weitere Tasche, diesmal aus nur einem Stoff für die Außenseite (das war keine leichte Entscheidung!) und - nach dem Feedback der Damen bei uns im Laden - ein klein wenig größer.
Material
Für eine Reisetasche in der Größe 45 x 25 x 25 cm brauchst du:
- zwei Teile á 72 x 50 cm ODER 1 Teil á 72 x 98 cm vom Aussenstoff
- zwei Teile á 72 x 52 cm vom Innenstoff
- zwei Teile á 72 x 4 cm als Akzentstreifen neben dem Reißverschluß
- zwei Teile á 47 x 36 cm für zwei Steckfächer innen
- vier Teile á 22,5 x 36 cm für zwei Außenfächer
- zwei Teile á 8 x 6 cm als Halter für die D-Ringe
- zwei D-Ringe (2 cm breit)
- 72 cm Endlos-Reißverschluß + 1 oder 2 Schieber für die Tasche
- zwei Endlos-Reißverschlüsse á 23 cm + Schieber für die Außenfächer
- Gurtband, 25 / 30 mm breit – nach Wunsch, ca. 3 m (die Berechnung findest du unten in der Anleitung)
- Vlieseline G700 (alternativ H200)
- ein Teil von 70 x 100 cm (Außenseite Tasche)
- zwei Teile á 45 x 36 cm (Steckfächer innen)
- zwei Teile á 20 x 36 cm (Außenfächer)
- dickeres Vlies (z.B. Thermolam, Baumwollvlies, Volumenvlies)
- ca. 72 x 102 cm (Aufbügelvlies solltest du 1-2 cm kleiner schneiden, Vlies, das aufgenäht wird, 1-2 cm größer)
Die Maße enthalten eine Nahtzugabe von 1 cm.
Anleitung
Hatte ich schon erwähnt, dass so eine Reisetasche die perfekte Möglichkeit ist, richtig schön groß gemusterte Stoffe zu verwenden?
Falls dein Stoff ein Muster mit eindeutiger Richtung hast, musst du beim unbedingt Zuschnitt darauf achten! Infos dazu findest du neben unserem Schnittteil-Rechner.
Außenteil nähen
Besteht deine Außenseite aus zwei Teilen, dann nähst du diese zunächst du einem großen Teil zusammen. Hat dein Stoff ein Muster mit eindeutiger Richtung, sollte das Motiv an der Bodennaht gespiegelt sein, damit es später auf beiden Seiten der Tasche richtig herum erscheint.
Da bei meinem Stoff in diesem Fall das Muster bereits genau so verläuft, wie ich es für die Tasche brauche, kann ich auf die Bodennaht verzichten und arbeite mit einem Schnittteil.
Die Akzentstreifen nähe ich oben und unten jeweils an die langen Kanten. Die Nahtzugaben bügele ich auseinander.
Anschließend habe ich die Vlieseline auf die Rückseite meines Außenstoffs gebügelt. Wenn du etwas festeren Stoff benutzt (z.B. Canvas), dann kannst du die Vlieseline weglassen, aber bei Patchworkstoffen mag ich die zusätzliche Stabilität.
Lege den Außenstoff mit der linken Seite auf das dickere Vlies. Bei meinem ersten Versuch habe ich dafür Thermolam verwendet, bei der zweiten Tasche aus dieser Anleitung nutze ich H630. Du kannst aber auch zum Beispiel Reste des Baumwollvlies aus deiner letzten Decke verwenden. Es kommt einfach ein bisschen darauf an, wie fest oder leicht deine Tasche werden soll und ob du sie quilten möchtest. Darauf könnte ich in diesem Beispiel komplett verzichten, da ich das H630 Vlies auch einfach nur aufbügeln kann.
Also: Außenstoff und Vlies verbindest du nun, entweder durch bügeln oder durch quilten.
Außentaschen nähen
Kurz zur Berechnung: ich möchte gerne, dass mein Außenfach halb so breit ist wie meine Tasche (45 cm / 2 = 22,5 cm), und etwa 18 cm hoch (18 cm x 2 = 36 cm). Daraus ergibt sich für Außen- und Innenstoff die Größe von jeweils 22,5 x 36 cm.
Zuerst bügelst du die beiden Teile Vlieseline auf die beiden Stoffteile, die später außen sein sollen.
Nähe einen der beiden kürzeren Reißverschlüsse zwischen je ein Außenfachteil mit und ohne aufgebügelter Vlieseline, bündig mit den kurzen Kanten, die Zähnchen zeigen zum Außenstoff. Bügele den Stoff weg vom Reißverschluß und steppe beide Lagen knappkantig ab. Wiederhole diesen Schritt: die beiden anderen kurzen Stoffkanten legst du an die noch freie Kante des Reißverschlusses, nähst diese ebenfalls fest. Du hast dann praktisch je eine “Röhre” auf beiden Seiten des Reißverschlusses.
Jetzt ziehst du den Reißverschluß auseinander, bügelst auch die gerade angenähten Stoffe und steppst sie knapp neben dem Reißverschluß ab. Ziehe den Schieber auf, verriegele den Reißverschluß an beiden Enden und klappe die so entstandene Außentasche flach zusammen. Verschiebe den Reißverschluß so weit wie möglich nach oben und steppe nochmal ganz knapp neben der Kante durch alle Stofflagen.
Wiederhole diesen Schritt für die zweite Außentasche.
Die Außentaschen werden jetzt erstmal auf dem Außenteil platziert. Wenn du bei unserem Schnittteil-Rechner für die Boxy Bag angibst, daß du ein Innenfach einsetzen möchtest, bekommst du automatisch angezeigt, wo du dieses Innenfach ansetzen mußt. Das funktioniert genauso gut bei unserem Außenfach. Der Rechner sagt, das Innenfach soll bei 14 cm von der unteren Kante gemessen angesetzt werden, das bezieht sich erstmal auf ein (noch nicht zusammengenähtes) Innenteil. In diesem Fall klappe ich das Außenteil einfach ein der Mitte zusammen und nehme stattdessen diese Kante. Falls du eine Bodennaht hast, kannst du auch die hernehmen.
Natürlich sollte das Außenfach auch mittig sein. Das sind bei mir rechts und links jeweils etwa 24,5 cm.
Stecke dir die Außenfächer auf beiden Seiten der Tasche fest, klappe das gesamte Außenteil wieder auf und nähe die Außentaschen fest: rechts und links reicht eine Hilfsnaht, die muß nicht sauber sein. Unten empfehle ich zwei parallele Nähte, damit die Tasche schön stabil ist.
Henkel annähen
Der Vollständigkeit halber sei gesagt: selbstverständlich kannst du dir auch passende Henkel aus Stoff nähen, nur geht es mit fertigem Gurtband deutlich schneller ;-) und es ist robuster. Bei mir haben selbst Stoffhenkel bei gekauften Taschen nicht lange überlebt. Vielleicht waren die aber auch einfach nur schlecht verarbeitet, wer weiß …
Zur Berechnung: grundsätzlich brauchst du 4x die Höhe der Tasche + 2x die Tiefe + 2x die gewünschte Länge der Henkel.
Die ersten beiden Werte stehen fest: 4x 25 cm + 2x 25 cm = 150 cm
Die Länge der Henkel ist oft Geschmacksache, kann von der Größe der Person abhängen und davon, ob die Tasche eher in der Hand oder über der Schulter getragen werden soll. Für mich sind 75 cm eine gute Länge. Also:
150 cm + 2x 75 cm = 300 cm Gurtband
Arbeitest du mit Gurtband aus Polyester, solltest du die beiden Schnittkanten vorsichtig mit einem Feuerzeug verschmelzen, damit sie nicht ausfransen können. Markiere dir – am besten mit einer Stecknadel – die Hälfte des Gurtes.
Dann machst du dir ein paar Markierungen auf dem Außenteil:
Zum einen markierst du dir die Mitte des Außenteils. Wenn du eine Bodennaht hast, kannst du diese stattdessen nehmen. Von den beiden langen Kanten aus gemessen, markierst du dir zwei lange Linien im Abstand von 23 cm zur Kante mit einem Trickmarker. An diese Linien legst du das Gurtband an und zwar nach innen, sodaß die offenen Kanten der beiden Außenfächer vom Gurtband verdeckt sind. Die markierte Mitte des Gurtes liegt dabei auf der Mitte, bzw. Bodennaht des Außenteils, genauso wie die beiden losen Enden. Die lässt du etwa 5 – 10 mm überlappen. Wenn dir die Kante nicht hübsch genug ist, kannst du das Ende, das oben liegt, einige Millimeter nach hinten einschlagen.
Die dritte Markierung befindet sich im Abstand von 15 cm zu den kurzen Kanten. Bis hierhin wirst du gleich nähen.
Stelle nochmal sicher, dass das Gurtband nicht in sich verdreht ist, bevor du anfängst zu nähen. Nutze ein möglichst passendes Garn, dann musst du nicht so gerade nähen. Auf dem Gurtband “springt” die Naht gerne mal etwas hin und her und sieht dann schnell unordentlich aus.
Nähe knapp neben den Kanten des Gurtbandes entlang und “fahre” an der 15 cm Markierung auf die andere Seite des Gurtbandes. An dieser Stelle nähe ich zur Sicherheit immer nochmal zurück und vor, um die Naht stabiler zu machen. Orientiere dich an der gestrichelten weißen Linie auf dem Foto oben.
Wie geht's weiter?
Damit ist die Außenseite soweit fertig und du kannst jetzt mit der Anleitung für die kleine Boxy Bag weitermachen.
Kleine Abweichungen:
- pass auf, dass du das Gurtband nicht aus Versehen irgendwo einnähst. Eventuell steckst du es einfach in die Außentaschen.
- auf die Innensteckfächer bügelst du vor der weiteren Verarbeitung zuerst die Vlieseline auf, das gibt dem Ganzen noch etwas mehr Stabilität. Außerdem solltest du die Steckfächer durch senkrechte Nähte in kleinere Fächer unterteilen (mindestens zwei). So können die Fächer nicht von alleine aufklappen.
- Punkt 13: ich empfehle eine Wendeöffnung von gut 30 cm, die du wirklich mittig im Innenfutter offen lassen solltest.
- bei Punkt 15 habe ich zwei Schieber auf den langen Reißverschluß aufgezogen – einen von jeder Seite. Ziehe die Schieber in die Mitte, sodaß sie sich treffen, und prüfe, dass du keine “Beule” im Reißverschluß hast. Falls ja, musst du einen der Schieber neu einfädeln.
- ab Punkt 17 werden die kleinen Laschen eingesetzt. Dafür nutzt du die beiden Schnittteile á 6 x 8 cm, verarbeitest sie so wie in der Anleitung und ziehst sie durch die D-Ringe, bevor du sie einnähst.
- Punkt 21: den Bodenausschnitt zeichnest du in diesem Fall bei 11,5 cm (bzw. 12,5 cm inkl. Nahtzugabe) an.
- nach Punkt 23 kannst du optional die Tasche einmal wenden und eine Absteppnaht an der Seite der Tasche direkt unterhalb des D-Rings setzen. In diesem Fall ist die Tasche groß genug, dass du diese Stelle problemlos unter die Nadel bekommst. Streiche die Stofflagen glatt, alle Nahtzugaben werden sich automatisch Richtung Taschenboden legen.
- wenn du die Tasche komplett fertig genäht hast, öffnest du sie, streichst ein Seitenteil glatt und setzt nochmal eine Naht auf die Unterteilungsnaht in deinem Innenfach. Nähe durch das Innensteckfach und die Außenwand, aber natürlich nicht durch das Außenfach. Du wirst nicht bis ganz in das Fach reinnähen können, das ist auch nicht notwendig. Aber diese kleine Naht verbindet nochmal Innen- und Außenstoff und sorgt für mehr Stabilität.
Weitere Ideen
- verkürze das angenähte Gurtband und nähe (oder kaufe) dir stattdessen einen zusätzlichen Schulterriemen, den du mit Karabinern in die seitlichen D-Ringe einhängen kannst.
- wähle einen zurückhaltenden Stoff für die Tasche und nähe als Eyecatcher auffällige Patchworkblöcke für die beiden Außentaschen
- ich kann mir die Tasche auch toll vorstellen in der Quilt-As-You-Go Technik - wenn du den Stoff direkt auf das Vlies nähst und versteppst, wird die Außenhülle auch gleich standfester. Und mit 20 Streifen einer Jelly Roll (2,5 Inch oder 6,5 cm breit) kannst du die gesamt Außenseite schon abdecken.
8 Responses
Hallo Jenny, was für eine Arbeit du dir damit gemacht hast . Toll👍 und DANKE ☺️ . LG Doris
Sehr gerne! Viel Spaß beim Ausprobieren :-)
Guten Morgen 🙂
Die tolle Boxybag als Reisetasche hat ja die Seitennaht an einer anderen Stelle als üblich
Kann ich dafür trotzdem den Rechner benutzen?
Ich brauche eine Boxybag, wo der Reißverschluss wie bei dieser Reisetasche noch rechts und links über die Seiten geht in den Maßen 35cm Breite, 19cm Tiefe und 30cm Höhe und ich habe einen fürchterlichen Knoten im Kopf 🙈
Glg
Hallo Iris,
die Seitennaht ist bei der Reisetasche genau an der gleichen Stelle wie bei den anderen Boxy Bags auch, nämlich genau auf halber Höhe. Bis dorthin geht dann auch der Reißverschluß. Das geht bei dieser Technik auch gar nicht anders. Daher solltest du den Rechner problemlos nutzen können.
Liebe Grüße
Jenny
Bin durch Zufall auf diese Seite gekommen und hab mich ein bisschen umgeschaut. Respekt. Wunderbar erklärt und so detailreich. Vielen herzlichen Dank für so viel Content.
Hallo und vielen Dank für deinen netten Kommentar! Freut mich sehr, wenn dir unsere Webseite gefällt, dann hat sich die Arbeit ja gelohnt ;-)
Hallo Jenny
Herzlichen Dank für deine perfekten Anleitungen und den Boxy-Rechner! Ich bin total begeistert. Die “saubere” Ausführung innwendig ist genau nach meinem Geschmack. Es funktioniert sogar mit dickerem Stoff. Nun werde ich meine selbst gefärbten und bedruckten Stoffe ohne Bedenken verwenden und mir eine grössere Boxy Tasche nähen.
Viele Grüsse
Brigitte
Hallo Brigitte,
das freut mich wirklich sehr! Poste doch mal ein Foto von der fertigen Tasche aus deinen selbst gefärbten Stoffen. Die würde ich sehr gerne sehen :-)
Liebe Grüße
Jenny